"Im
Großen und Ganzen zufrieden"
Karin Ertl zieht Bilanz nach
dem Ende der Olympiasaison
23.10.2000
(fc) Mit einem siebten Platz und einer Menge Erinnerungen kehrte Karin Ertl von
den Olympischen Spielen aus Sydney zurück. Wie sie ihr Olympiajahr sieht, was
sie zum aktuellen Stand im Siebenkampf in Deutschland und manch anderen Dingen sagt, ist im
folgenden "nacholympischen" Interview zu erfahren.
Karin,
wenn man Deine Olympiasaison rückblickend betrachtet, stehen ein
Hallen-EM-Titel, eine persönliche Bestleistung von Götzis, ein siebter Platz
bei den Olympischen Spielen und ein Rang unter den Top Ten der
Weltjahresbestenliste im Siebenkampf zu Buche. Wie fällt Dein persönliches Saisonresümee aus?
Karin Ertl:
Ich
denke, ich kann zufrieden sein. Ich habe eigentlich meine Ziele erreicht. Fast.
In Götzis sind die 6400 Punkte leider nicht gefallen und in Sydney hätte ich
mir eine bessere Punktzahl ausgerechnet. Aber gerade da muss man auch sehen, wie
die anderen drauf waren. Mir war vorher klar, dass ein sechster Platz schwer
werden würde und am Ende ist es ein siebter Platz geworden. Ich habe in diesem
Jahr einen großen Aufwand betrieben und es hat leider doch nicht so gefruchtet,
weil auch noch eine Verletzung dazwischen kam. Darüber habe ich mich ein wenig
geärgert. Aber im Großen und Ganzen bin ich schon zufrieden.
Es
war Deine erste Teilnahme an Olympischen Spielen. Worin siehst Du den
Unterschied zu einer Welt- oder Europameisterschaft?
Karin
Ertl:
Nachdem viele Sportarten vertreten sind, ist es
eine ganz andere Stimmung, gerade im Olympischen Dorf. Das Publikum ist auch
unterschiedlich, allein schon von der Zuschauerzahl her. In Sydney brauchte ich gar
nicht erst das Suchen anfangen, in der Hoffnung, dass ich vielleicht jemanden
finden oder entdecken könnte. Ich habe zwar ein paar Rufe gehört, aber wenn
ich gekuckt hätte, wäre niemand zu finden gewesen. Bei der EM in Budapest und
auch bei der Weltmeisterschaft war das nicht so. Da hatten wir am Vormittag ein
leeres Stadion und man
hat seine Leute einfach gefunden. In Sydney war das eine ganz andere Stimmung und
Atmosphäre. Das bemerkte ich schon deutlich.
Nun
war bei Dir bereits beim zweiten Bewerb, dem Hochsprung, das große Bangen
aufgrund Deiner Verletzung angesagt. Was hast Du Dir in dem Moment selbst gesagt?
Karin
Ertl:
Im Wettkampf ist man ganz anders angespannt. Gewünscht hatte ich mir das
Problem mit meinem Fuß sicher nicht, aber es ging eigentlich ganz gut. Der
Hochsprung hatte gut angefangen und vorher waren auch die Hürden super. Deshalb
hat es mir ganz einfach gestunken, dass es wieder weh tat. Ich sagte mir dann,
dass ich die nächsten zwei Höhen von 1,81 und 1,84 Metern noch mache. Aber dem
hat nicht sollen sein. Es war mein letzter Mehrkampf des Jahres und es sind
Olympische Spiele. Es ging trotz der Schmerzen noch und ich glaube, wenn
man bei Olympischen Spielen dabei sein darf, sollte man das genießen bis
zum Schluss.
Du
hast in Sydney 6209 Punkte erreicht und sagtest vorhin schon, ein bisschen mehr
wäre schöner gewesen...
Karin
Ertl:
Die Punkte sind nebensächlich. Das hat mir auch der Bundestrainer
gesagt, der meinte, ich soll den Kopf wegen dem Hochsprung nicht hängen lassen.
Aufgrund der Fußprobleme setzte sich das aber leider auch bei den nächsten
Bewerben noch fort. Das heißt, ich konnte nicht die Leistung bringen, die ich
nach dem Training drauf gehabt hätte. Die Platzierung ist in Ordnung und damit
kann ich zufrieden sein.
Du warst nach den
Spielen noch in Australien ein bisschen unterwegs. Welchen Eindruck hast Du von
Land und Leuten und vor allem der Olympia-Begeisterung dort mitgenommen?
Karin
Ertl:
Die Leute sind sehr hilfsbereit. Wenn wir uns verfahren hatten,
haben sie gleich einen Stadtplan geholt. Egal, wo wir waren, zeigten sich die
Leute sehr freundlich. Sie haben auch mitbekommen, dass wir aus Sydney von
den Spielen kommen. Da waren sie natürlich total begeistert, dass sie jemanden
kennen gelernt haben, der dort dabei war. Ich habe oft Deutschland-Pins
verschenkt und die Leute bedankten sich dann mit Gastgeschenken wie
Teddybären. Ich habe mir schon gesagt, ich muss noch einmal rüber, wenn ich
mehr Ruhe und mehr Zeit habe. Das Land ist einfach viel zu groß, um in kurzer
Zeit viel sehen zu können.
Wenn wir den
Siebenkampf in Deutschland nun im allgemeinen betrachten, gibt es eine Sabine
Braun, die schon mal laut über ihren Rücktritt nachdenkt. Vier
Siebenkämpferinnen haben heuer um die drei Olympiatickets gekämpft. Im
Nachwuchs machten in diesem Jahr zum Beispiel Sonja Kesselschläger und Annika
Meyer auf sich aufmerksam. Wie fällt Dein persönlicher Mehrkampf-Ausblick als
Athletin, die sich durch ihre Beständigkeit auszeichnet, aus?
Karin
Ertl:
Bei Sonja, die jetzt zweimal um die 6000 Punkte gemacht hat, fehlen noch
rund 250 Punkte. Das sind in der Spitze eine Menge Holz. Annika legte einen
perfekten Mehrkampf hin, bei dem sie auch an die 6000 Punkte rankam. Die
zwei haben auf jeden Fall Aussichten. Dann ist auch die Junioren-Europameisterin
Maren Freisen nicht zu vergessen. Aber ich denke, die drei brauchen einfach noch
ein bisschen Zeit. Bei den nächsten Olympischen Spielen könnten sie aber
ein Gesprächsthema sein. Sabine wird so schnell nicht aufhören. Sie ist noch
die Beste und es ist unsere Aufgabe, sie abzulösen. Das liegt momentan in der
Hand von Kathleen Gutjahr, Astrid Retzke und mir. Bis jetzt ist sie noch
mit dabei und warum sollte sie aufhören.
Die Saison ist
vorüber, der Urlaub ist vorbei. Wie lässt Du das Olympiajahr ausklingen?
Karin Ertl:
Es geht ja auch schon wieder in die nächste Saison und ich habe mir
vorgenommen, dass ich das nächste Jahr nicht ganz so streng nehmen werde wie das
Jahr 2000, weil ich da einfach alles in den Sport investiert und auf wirklich alles andere
verzichtet habe. Ich hatte für Zuhause viel zu wenig Zeit und das ist etwas,
was ich ändern möchte. Trotzdem stecke ich mir natürlich meine Zwischenziele
mit Blickrichtung Hallen-WM und Weltmeisterschaft in Edmonton. Draußen kann man jetzt nicht mehr viel anfangen. Das
Training und damit der Alltag gehen wieder los. Aber ich habe keine besonderen
Pläne. Es ist das selbe Programm wie jedes Jahr.
Hast Du die
Hallen-Weltmeisterschaft 2001 in Lissabon im Visier?
Karin Ertl:
Es ist geplant. Wenn mein Fuß wieder ganz in Ordnung ist, möchte ich auch
die Hallensaison voll durchziehen.
Welche Chancen
rechnest Du Dir dafür aus? Es wird ja auch wieder Gedrängel um die Plätze
geben...
Karin Ertl:
Ganz bestimmt. Bei der Hallen-WM werden, weil es dort auch Geld gibt, andere
Teilnehmer dabei sein. Es ist auch ein Event auf Weltverbandsebene und nicht nur europaweit. Gerade da
denken die Älteren wie Sabine mehr an das Finanzielle und darum wird dort das
Starterfeld enger sein. Bei mir fällt der Speer weg. Ich bin in der Halle
einfach besser. Ich muss sehen, wie ich den Winter überstehe und wie ich dann
drauf bin. Zu den Chancen kann ich noch nichts sagen. Das zeigt sich dann beim
ersten Fünfkampf in Frankfurt-Kalbach.
Am 3. November
startet auf www.steeple.de
eine Charity-Auktion zu Gunsten der Kinderkrebsstiftung. Du warst spontan
bereit, eine Olympia-Startnummer dafür zur Verfügung zu stellen. Was ist Deine
Meinung zu der Aktion?
Karin Ertl:
Ich finde das eine gute Idee. Mir tut es nicht weh, die Startnummer
abzugeben. Ich möchte mir auf jeden Fall selber eine aufbewahren. Ich hoffe,
dass bei der Aktion etwas und vielleicht auch ein bisschen mehr rausspringt, damit den
Leuten geholfen ist. Es bereitet mir kein Kopfzerbrechen oder ist mit besonderen
Aufgaben verbunden und deshalb bin ich da gerne bereit, mitzumachen.
Seit kurzem bist
Du mit www.karin-ertl.de im
Internet vertreten. Wie bist Du mit dem Start Deiner Homepage zufrieden?
Karin Ertl:
Ich selbst bin internetmäßig noch nicht ganz so weit, aber es haben ja schon
einige reingekuckt. Ich verschicke auch Infozettel mit der Autogrammpost, so
dass ich hoffe, dass das weiterhin genutzt wird und sich die Zugriffe weiter
vermehren, wenn die Leute darauf aufmerksam werden und danach suchen. Es ist
eine gute Idee und es freut mich, dass wir das alles auf die Beine gestellt
haben.
Das Gespräch führte
Christian Fuchs
|